Unser Jüngster wird gerade an die ästhetischen Fragen der skulpturalen Praxis herangeführt und hat da schon mächtig was drauf. Im Nu kommen Gefährte zustande, angelehnt an die etablierten Muster des Benzinzeitalters, zwei Achsen, vier Räder und einer Karosserie, die das löchrige Gefäß des herumfahrenden Raumes bildet. Doch Milan und Rahel haben hier noch einiges mehr zu erkunden. In leidenschaftlicher Selbstvergessenheit entstehen flexible Räume, bewegliche Körper, beräderte Flügelwesen – wachsen zu allen Seiten über ihre Körper hinaus und anstelle sich den Gesetzen der Physik zu beugen, erfinden sie ihre ganz eigenen Aggregatszustände: Ästhetische Antworten auf die bekannten Fragen unserer Zeit.

 

Foto: Nina Langbehn

Gerade im Kunstpunkt angekommen stellt Muriel Tauber ihren Ausstellungsbeitrag vor. Aus Regenzeichnungen, die im vergangenen Jahr entstanden sind, entwickelt sie ein serielles Prinzip, das sich über eine Vielzahl von Blättern erstreckt. Dem scharfen Blick des Farbexperten entgeht hierbei nicht, dass die Zeichentusche, mit der Muriel hantiert, unterschiedlich temperierte Karmintöne entstehen lässt, je nachdem mit welcher Dichte sie aufgetragen wird. Wir sind schwer beeindruckt.

Nachdem wir mit einer dicht gepackten Fuhre unsere Sachen an den Kunstpunkt gebracht haben, geht es auch gleich schon mit der Parzellierung des Ausstellungsraumes los. Mit geometrischen Vorkenntnissen aus Grundschul- und Unterstufenzeiten werden weiße Tapelinien in den Raum gelegt. Doch wer meint, Pläne könnten eins zu eins in die Realität übersetzt werden, wird hier schnell eines besseren belehrt. Kleine Abweichungen von Grundriss und Raummaß sind einfach unmöglich.

 

Foto: Nina Langbehn

Keine Berührungsängste haben Janis und Annemarie auf den letzten Metern der Katalogproduktion. Ganz schön anstrengend – aber der Buchbinder hat es gleich gesagt: eine maschinelle Heißleimbindung wäre um einiges schneller gewesen. Doch aufgrund der ambitionierten Idee, den Umschlag nach dem Prinzip der Schweizer Broschur – eine bestimmte Art der Lay-Flat-Broschüren – zu erstellen, muss der fadengeheftete Buchblock von Hand abgeleimt werden. Das tolle daran: Der Vorderdeckel lässt sich zusammen mit dem Umschlagrücken wegschlagen und gibt damit Sicht auf den gesamten Inhaltblock. Das Aufschlagverhalten wird dadurch enorm verbessert.

 

Foto: Nina Langbehn

Toll ist, wenn Erkenntnisse einen Rahmen haben. Doch der Rahmen, den Gintare Simutyte ihren neuen bildnerischen Erkenntnissen gibt, führt ein reges Eigenleben. Entgegen der gängigen Rahmenkunst reichen die Seitenleisten in das Blatt hinein – der Rahmen führt quasi subito in den Bildraum hinüber und unterstützt die Fensterhaftigkeit, die auch in der Motivführung eine Rolle spielt.

Weiterhin lassen sich bei Gintares Collagenarbeiten Aspekte der Haltbarkeit und Bildkonservierung diskutieren. Gerade bei ungeprüftem Collagematerial, Kugelschreiber oder Filzstift, muss man längerfristig darauf achten, dass sich die Arbeit nicht unberechenbar entwickelt. Nicht immer war es eine künstlerische Intention, wenn nach dem Verkauf der Arbeit Säurestellen Löcher ins Papier fraßen oder Blätter, nachdem sie sich komplett aufgelöst hatten, in der Sammlungsdurchsicht nicht mehr gefunden wurden. Hier ist vorausschauendes Handeln unerlässlich.

 

Foto: Nina Langbehn

Kiwan Choi führt uns den aktuellen Zustand seiner neuen Arbeit vor. Eine runde, organische Verschmelzung von Ellipsoiden fährt auf einem robotisierten Gestell durch den Raum. Noch jagt es im schnellen Wechsel von Vor- und Rückwärtsgang und schwer zu kalkulierender Reichweite durch das Foyer der Malerei. Es würde noch etwas zu schnell fahren, meint Kiwan, doch er feile noch an der Programmierung, um Geschwindigkeit und Radius in den Griff zu bekommen.

 

 

Foto: Nina Langbehn

Was die kundige Ausstellungsbesucherin oder der kundige Ausstellungsbesucher von Gegenwartskunst wohl teilen mag: Videokunst ist oft ein Gräuel. Die Art und Weise, wie sie in Ausstellungen zur Geltung gebracht wird, ist oftmals ein Ärgernis für den um Ganzheit bemühten Betrachtenden, der oft mitten in eine komplexe Erzählung geworfen wird, deren Bedeutung er nicht durchdringt, hat er den Anfang verpasst.

Nicht so bei Ann-Charlotte Gerlach. Sie weiß durchaus um die Schwierigkeiten des Mediums Bescheid und hat sich deshalb für ihre Videoarbeit etwas ganz besonderes überlegt. Aus einer Kistenstapelung erwächst ein architektonisches Gebilde, das mittels einer Stufe betreten werden kann. Oben angelangt steht ein Bänkchen für die Zuseherin oder den Zuseher bereit. Der Aufbau ist nicht bloß Blickfang sondern auch Blickfessel, denn hat man es sich erstmal auf dem feinen Bänkchen bequem gemacht, möchte man so schnell nicht mehr aufstehen.

 

Foto: Nina Langbehn

Yehudit Yinhar kommt mit ihrem Flugblattprojekt gut voran. Es erscheint wöchentlich, meist zu aktuellen politischen Themen. Nun steht sie vor der Frage, wie die Arbeit, die eigentlich für den öffentlichen Raum bestimmt ist, in einem geschlossenen Galerieraum stattfinden kann. Dieser Konflikt birgt das Potential Räume zu befragen und durch Verbindung oder Verschränkung von Kontexten zu einer Form zu kommen, welche der Symbiose aus Kunst und politischem Aktionismus entspricht.

Das Adrenalin auf dem Court ist etwas ganz Besonderes: Der aufschlagende Spieler führt 5:2 im dritten Satz. Das Match scheint entschieden. Doch dann trifft der erste Aufschlag ins Aus, der zweite geht ins Netz. Ein glücklicher Passierball des Gegners versetzt ihn 0:30 in Rückstand. Irritiert vom plötzlich aufkommenden Widerstand, serviert er einen weiteren Doppelfehler. Unerreichbar für den entfernt stehenden Aufschläger, setzt ein Return unmittelbar hinter dem Netz auf. Das Aufschlagspiel ist verloren. Nach dem 5:3 will nun nichts mehr gelingen. Der Gegner wittert die Wende und legt noch einen Gang zu.

So oder ähnlich muss es bei Rahel Goetsch zugehen, die in einem fiktiven Tennisspiel gegen sich selbst eine Zeichnung erschafft, die es ganz schön in sich hat. Als passionierte Tennisspielerin ist sie mit den Feinheiten des Tennissports vertraut und auch die Platzpflege am Ende des Spiels erhält ihre Entsprechung: in einer solistischen Serpentine.

 

Foto: Nina Langbehn

Oskar Zaumseil zeigt seine neuen Zeichnungen, die in diesem Semester entstanden sind. Ganz intuitiv geht er dabei vor: auf dem Blatt schafft er sich einen Plan, den er dann ausfüllt. Das kann manchmal ganz schön anstrengend sein. Doch am Ende steht dann eine Energie, eine Bündelung, ein Zeichnungswesen, das man wirklich gerne hat.